Rheuma ist keine Frage des Alters | PZ – Pharmazeutische Zeitung

2022-10-14 21:57:41 By : Mr. Alfred Chen

Abzugrenzen sind akute Arthritiden, die in Zusammenhang mit bakteriellen oder viralen Infektionen auftreten und bei adäquater Behandlung meist nach einigen Wochen folgenlos ausheilen. Ein Beispiel ist das rheumatische Fieber, das 8 bis 20 Tage nach einem Infekt mit β-hämolysierenden Streptokokken der Gruppe A auftreten kann. Typisch ist eine Polyarthritis, die von Gelenk zu Gelenk springt: Zumeist schwellen die großen Gelenke an, röten sich und schmerzen stark. Ein anderes Beispiel ist der »Hüftschnupfen« (Coxitis fugax), der in der Regel durch einen Atemwegs- oder Magen-Darm-Infekt ausgelöst wird. Es treten plötzlich starke Schmerzen in Leiste und Oberschenkel bis zum Knie auf, sodass die Kinder nicht mehr laufen wollen und deutlich hinken. Die Therapie ist rein symptomatisch. Der Hüftschnupfen ist eine vorübergehende Erkrankung und hinterlässt keine bleibenden Schäden.

Anders bei der JIA. Im Gegensatz zu den akuten Arthritiden ist dies eine chronische Erkrankung, bei der sich dauerhafte Schäden nicht immer vermeiden lassen. Mit einer Häufigkeit von 0,1 Prozent ist die JIA die häufigste chronische entzündlich-rheumatische Erkrankung im Kindes- und Jugendalter. Man geht davon aus, dass in Deutschland etwa 15.000 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren erkrankt sind (4). Verschiedene Untersuchungen ergaben Prävalenzen von 20 bis über 150 pro 100.000 Menschen unter 16 Jahren (7).

Die jährliche Inzidenz liegt bei etwa 10 pro 100.000 Kindern und Jugendlichen unter 16. Damit kann man in Deutschland von etwa 1500 Neuerkrankungen im Jahr ausgehen. Bei 50 bis 60 Prozent kommt es zu einer Oligoarthritis, bei 10 bis 15 Prozent zu einer seronegativen Polyarthritis oder Enthesitis-assoziierten Arthritis (Entzündung des Sehnenansatzes) und bei 5 bis 10 Prozent zu einer Psoriasis-Arthritis oder systemischen Form der JIA. Am seltensten, weniger als 5 Prozent, findet sich eine seropositive Polyarthritis (4).

Der Verlauf ist sehr unterschiedlich und hängt vom Subtyp der Erkrankung ab. So erreichen etwa 80 Prozent der Patienten mit einer persistierenden Oligoarthritis innerhalb von 15 Jahren eine Remission. Dies gelingt jedoch nur jedem vierten Patienten mit einer Polyarthritis. Beim Übergang in das Erwachsenenalter leidet etwa die Hälfte der Patienten noch unter einer aktiven Erkrankung. Jeder Zehnte entwickelt eine ankylosierende Spondylitis (Bechterew-Krankheit) mit Schmerzen und Versteifung der Wirbelsäulengelenke (4).

Die genaue Ursache der JIA ist unbekannt. Man geht davon aus, dass mehrere Faktoren zusammentreffen müssen, bevor eine rheumatische Erkrankung ausbricht. So kennt man genetische Merkmale, die bei bestimmten Rheumaformen gehäuft nachweisbar sind. Äußere Einflüsse müssen hinzukommen, damit die Erkrankung ausbricht. Typisch sind Infektionen mit Viren oder Bakterien. Das Immunsystem reagiert fehlerhaft und bildet nicht nur Antikörper gegen die Keime, sondern auch gegen sein eigenes Gewebe, beispielsweise die Synovialmembran. Eine Autoimmunpathogenese des kindlichen Rheumas gilt als gesichert. Stress wie Unfälle oder körperliche und seelische Überforderungen können zum Ausbruch der Erkrankung führen.

Noch immer dauert es, weltweit betrachtet, drei bis zehn Monate bis zur Diagnose einer JIA, in Deutschland zehn Monate. Beginnt die Krankheit im Vorschulalter, kommt es oftmals zu Störungen der Skelettentwicklung und bleibenden Deformationen (8).

Dies könnte anders laufen. Denn es gibt ein »Window of Opportunity«, also einen Zeitraum, in dem die Erkrankung günstig beeinflusst werden kann. Diese Phase beginnt mit den ersten Symptomen. Die Kinder sollten innerhalb von zehn Wochen nach deren Auftreten beim Rheumatologen sein. »Ansonsten muss man schon im ersten Jahr mit bleibenden Veränderungen, das heißt mit Knochenschäden rechnen«, sagt Dr. Renate Häfner vom Deutschen Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie in Garmisch-Partenkirchen im Gespräch mit der PZ.

Das kindliche Rheuma könnte schneller entdeckt werden, wenn die Eltern die Erkrankung überhaupt kennen und ihr Kind genau beobachten würden. Auch die unzureichende ärztliche Versorgung spielt sicherlich eine Rolle. So ist in Deutschland die Anzahl der Kinderrheumatologen viel zu gering: Es wurde berechnet, dass etwa doppelt so viele Spezialisten benötigt werden als derzeit zertifiziert sind (14).

Allerdings ist die Oligoarthritis, die häufig bereits zwischen dem zweiten und dritten Lebensjahr beginnt, nicht einfach zu erkennen. »Typisch sind Schwellungen eines oder mehrerer Gelenke«, erklärt Häfner. »Die Kleinen wollen oft getragen werden und humpeln. Wenn es schlimmer wird, treten sie gar nicht mehr auf. Typisch ist auch eine Morgensteifigkeit; die Kinder wollen morgens nicht aus dem Bett.« Charakteristisch ist ein asymmetrischer Befall der Gelenke, sodass die Eltern durch Vergleich mit dem gesunden Gelenk auf der Gegenseite die Schwellung oder Bewegungseinschränkung erkennen können. Dies ist bei anderen Formen der JIA, bei denen die Gelenke symmetrisch befallen sind, nicht möglich. Hier zeigt sich die Erkrankung in einem deutlich veränderten Bewegungsmuster.

Die kleinen Patienten müssen regelmäßig zum Augenarzt. Etwa 10 bis 20 Prozent, vor allem Kinder mit Oligoarthritis, entwickeln eine Iridozyklitis (siehe Tabelle), das heißt eine Entzündung der Regenbogenhaut und des Ziliarkörpers. Es kommt zu Lichtscheu, Trübung des Kammerwassers und des vorderen Glaskörpers sowie zur erhöhten Durchblutung der Iris. Unbehandelt kann die Erkrankung zur Erblindung führen.

Ohne Medikamente geht es nicht

Bei allen Formen der juvenilen idiopathischen Arthritis beginnt die Therapie in der Regel mit nicht-steroidalen Antirheumatika (NSAR). Denn dies sind schnell wirksame Medikamente, die Schmerzen und Entzündungen lindern. Sie blockieren die beiden Isoenzyme der Cyclooxygenase COX-1 und COX-2 und damit die Prostaglandinsynthese. Prostaglandine sind Schlüsselmediatoren bei der Entstehung von Schmerzen und Fieber sowie entzündlichen Reaktionen. NSAR wirken deshalb analgetisch, antipyretisch und antiphlogistisch (12). Sie sind eine wirksame, aber nur symptomatische Therapie, da sie wahrscheinlich nicht die Pathogenese beeinflussen. Dennoch kann die Monotherapie ausreichen (7). »Eine Oligoarthritis bekommt man nicht selten lediglich mit NSAR in den Griff«, stellt die Kinderrheumatologin fest.

NSAR haben viele Nebenwirkungen. Im Gegensatz zu Erwachsenen klagen Kinder zwar selten über Bauchschmerzen, es mangelt ihnen jedoch an Appetit, und sie essen weniger. Oft werden sie unter der Therapie müde. Es kann zu Konzentrationsstörungen und nachlassenden Schulleistungen kommen. Manchmal verändert sich auch das Verhalten. »Einige Kinder können aggressiv werden, andere werden depressiv und ziehen sich zurück«, sagt Häfner.

Einige NSAR sind für Kleinkinder zugelassen und stehen als Saft zur Verfügung, zum Beispiel Ibuprofen (ab sechs Monaten), Indometacin (ab zwei Jahren) und Naproxen (ab fünf Jahren). Meloxicam sollte laut Fachinformation bei Kindern und Jugendlichen unter 15 Jahren nicht eingesetzt werden, Diclofenac erst ab zwölf Jahren. Für Celecoxib gibt es nur in den USA eine Zulassung für Kinder ab zwei Jahren (3, 6).

Glucocorticoide sind die wirksamsten entzündungshemmenden Arzneistoffe. Die Nebenwirkungen sind jedoch vielfältig, unter anderem kann es bei Dauertherapie zu Osteoporose, Diabetes mellitus und Wachstumsstörungen kommen (1). Daher raten viele Ärzte zur Zurückhaltung mit diesen Arzneistoffen. Vor allem solle man versuchen, die systemische Gabe zu vermeiden.

Glucocorticoide können peroral, parenteral oder lokal, zum Beispiel am Auge, gegeben werden. Bei einer Oligoarthritis kann man sie intraartikulär, vor allem in besonders entzündete Gelenke, spritzen (7). Bei der systemischen Gabe von Glucocorticoiden muss man laut Häfner jedoch eine Schwierigkeit in den Griff bekommen. »Hat man einmal mit der Therapie begonnen, kommt man nur schwer wieder los von diesen Medikamenten. Unterschreitet man die therapeutisch wirksame Dosis, treten Rezidive auf. Glucocorticoide sollten daher nur eine Notfallmaßnahme bei schwer kranken Kindern sein.«

Gelingt es nicht, eine Polyarthritis mit NSAR zum Stillstand zu bringen, sollte man nicht zögern, eine Basistherapie zu beginnen. Goldsalze wie Natrium-Aurothiomalat oder D-Penicillamin sind bei Kindern zwar nicht ausdrücklich kontraindiziert, aber es gibt bessere Medikamente. Die Präparate sind schwer einstellbar und das Nebenwirkungsprofil ist kritisch.

Antimalariamittel sind besonders bei der Oligoarthritis wirksam. Hydroxychloroquin ist für Kinder ab sechs Jahren (über 35 kg) zugelassen. Sulfasalazin erwies sich als wirksam bei der Behandlung der JIA, insbesondere bei HLA-B27-assoziierten Verläufen. Das Human-Leucocyte-Antigen(HLA)-System ist ein komplexes System von Gewebeantigenen des Menschen, die auf den Zellen fast aller Gewebe vorkommen. Die HLA-Antigene spielen eine wichtige Rolle bei Abwehrmechanismen, indem sie dem menschlichen Körper ermöglichen, zwischen Selbst und Nicht-Selbst zu unterscheiden. Verschiedene HLA-Typen und bestimmte Erkrankungen sind miteinander assoziiert. So findet sich beispielsweise bei der Enthesitis-assoziierten Arthritis häufig der Typ HLA-B27.

Sulfasalazin ist zugelassen für Patienten ab dem sechsten Lebensjahr, die unzureichend auf NSAR oder lokale Glucocorticoid-Injektionen angesprochen haben (3). Die Nebenwirkungen sind vielfältig: Es kann zu Müdigkeit, Übelkeit, Erbrechen, blutigen Durchfällen, Kopfschmerzen, Leberschäden, Oligospermie, gelegentlich zu Hypogammaglobulinämie, Knochenmarkdepression, allergischer Dermatitis und Fieber kommen.

Methotrexat (MTX) gilt derzeit als Goldstandard zur Therapie der JIA. In einer multizentrischen europäischen Studie der PRINTO (Pediatric Rheumatology International Trials Organization) sprachen 72 Prozent der Patienten mit polyartikulärer JIA innerhalb von neun Monaten auf eine MTX-Therapie in einer Standarddosierung von 8 bis 12,5 mg/m2 pro Woche peroral an (2). Nach einer Dosiserhöhung auf 15 bis 20 mg/m2 pro Woche subkutan bei den verbliebenen Kindern sprachen knapp zwei Drittel an. In Einzelfällen ist eine Steigerung der Dosis bis 25 mg/m2/Woche, parenteral verabreicht, sinnvoll. Eine noch höhere Dosis brachte keinen Zusatznutzen (16).

Die subkutane und intramuskuläre Injektion ist zugelassen für Kinder mit einer therapierefraktären polyartikulären Arthritis, also nach dem Einsatz von NSAR (7). Der Wirkmechanismus besteht vor allem in der Hemmung der Zytokinsynthese (vor allem IL-1). Die klinische Wirkung tritt erst nach sechs bis acht Wochen ein - Eltern und Kinder müssen also Geduld aufbringen.

Die Nebenwirkungen sind zudem vielfältig. Methotrexat ist teratogen; darüber müssen vor allem junge Frauen aufgeklärt werden. Andere unerwünschte Effekte sind Übelkeit, Erbrechen, Dermatitis, Transaminasenanstieg, Pneumonie und Infektanfälligkeit (12). »Ein nicht einfach zu bewältigendes Problem ist, dass etwa ein Drittel der Kinder eine Abneigung gegen das Medikament entwickelt; das kann so weit gehen, dass man es absetzen muss«, sagt Häfner. Bei den Kindern entstehen, wahrscheinlich aufgrund zentralnervöser Einflüsse von MTX, Ekel und Widerwillen. Verschiedene Taktiken könnten helfen, das Problem zu bewältigen: die Gabe als Flüssigkeit (aus eigentlich zur Injektion vorgesehenen MTX-Ampullen) in Orangensaft, die gleichzeitige Gabe eines Antiemetikums wie Ondansetron oder eine subkutane Applikation (5).

Im Vergleich zu Methotrexat sind andere Immunsuppressiva weniger bedeutend bei kindlichem Rheuma. »Wird Methotrexat nicht vertragen, kann man es mit Leflunomid versuchen«, sagt Häfner. Allerdings sollte dieses Basistherapeutikum laut Fachinformation nicht bei Patienten unter 18 Jahren eingesetzt werden, da Wirksamkeit und Unbedenklichkeit hier nicht gesichert sind.

Leflunomid hemmt die Dihydroorotat-Dehydrogenase, das Schlüsselenzym bei der De-novo-Synthese von Pyrimidinbasen. Auf diese Weise drosselt es die Proliferation aktivierter T-Lymphozyten. Als unerwünschte Wirkungen wurden Diarrhö, Infektionen der Atemwege, Übelkeit, Kopfschmerzen, Haarausfall, Erhöhung der Transaminasen und Blutdruckanstieg beobachtet. Wie auch bei anderen Immunsuppressiva kann die Anfälligkeit für Infektionen steigen.

Man kann auch Azathioprin zur Therapie der JIA einsetzen, obwohl hier nur wenige Daten vorliegen. Cyclosporin ist bei einer Uveitis gut wirksam.

Unter Azathioprin wurden Magen-Darm-Störungen sowie Erhöhungen der Leberwerte und der Pankreasenzyme beobachtet (5). Bei einem angeborenen Mangel an dem Enzym Thiopurin-Methyltransferase (TPMT), das Azathioprin inaktiviert, verbleiben zu hohe Arzneistoffkonzentrationen im Körper, sodass das Risiko für myelotoxische Nebenwirkungen steigt. Dies zeigt sich erst nach vier bis sechs Wochen: Die Kinder entwickeln Fieber und Übelkeit, die roten und/oder weißen Blutkörperchen und/oder Thrombozyten nehmen ab.

Im Garmischer Kinder-Rheumazentrum lassen die Ärzte daher bei allen Kindern, die Azathioprin erhalten sollen, die TPMT vor Therapiebeginn bestimmen. Gute Nachricht: Nach Absetzen des Medikaments verschwinden die Symptome wieder.

Biologicals (Immunbiologika) gehören zu den hoch molekularen Proteinpharmaka. Dazu zählen Zytokine, Zytokin-Rezeptoren, monoklonale Antikörper und gentechnisch hergestellte Fusionsproteine. Bei der rheumatoiden Arthritis werden Inhibitoren des Tumornekrosefaktors (TNF-α-Blocker), Interleukin-Antagonisten und T-Zell-Hemmer eingesetzt. Nach NSAR, lokalen Glucocorticoid-Injektionen, Basistherapeutika und Immunsuppressiva gelten Immunbiologika, insbesondere TNF-α-Blocker, als vierte Stufe der antirheumatischen Therapie (2).

Der Tumornekrosefaktor α (TNF-α) wird vorwiegend von Monozyten und Makrophagen gebildet. Er verbindet sich mit zwei spezifischen Rezeptoren auf den Membranen verschiedener Zellen. Hierdurch kommt es zu einer Zellaktivierung, in deren Folge Aktivierungs- und Adhäsionsantigene exprimiert und Entzündungsmediatoren, Prostaglandine, Prostazykline und andere proinflammatorische Zytokine gebildet werden. Lösliche TNF-Rezeptoren regulieren die TNF-Aktivität, indem sie überschüssiges Protein abfangen. Diese natürliche Regulation ist bei rheumatoider Arthritis wahrscheinlich beeinträchtigt (12).

Darüber hinaus reguliert TNF-α die Produktion und Sekretion von Interleukin-(IL)-1 und -6. IL-1 ist ein wichtiges proinflammatorisches Zytokin, dessen Konzentration bei Patienten mit rheumatoider Arthritis in aktiven Krankheitsphasen sowohl im Plasma als auch in der Synovialflüssigkeit erhöht ist. Durch eine Blockade von TNF-α werden sowohl die Bildung von IL-1 und IL-6 als auch die Leukozytenmigration und die Expression von Adhäsionsmolekülen blockiert.

Zur Therapie der rheumatoiden Arthritis sind drei TNF-α-Blocker zugelassen: Etanercept, Infliximab und Adalimumab (13). Etanercept zeigte sich in einer placebokontrollierten Studie über sieben Monate bei 69 Kindern im Alter von vier bis 17 Jahren, die unter einer therapierefraktären Polyarthritis litten, als wirksam. Die Wirksamkeit wurde über einen Zeitraum bis zu acht Jahren nachgewiesen (9, 10). Etanercept ist für Kinder über vier Jahre zugelassen, wenn eine Polyarthritis vorliegt (15). Dies bedeutet, dass mindestens fünf Gelenke betroffen sein müssen. Auch Adalimumab war sowohl in Monotherapie als auch in Kombination mit MTX wirksam (6, 17). Der Antikörper ist bei Polyarthritis zugelassen; die Kinder müssen mindestens 13 Jahre alt sein (15). Infliximab habe in der Kinderrheumatologie keine so hohe Bedeutung, sagt die Rheumatologin.

Zu den IL-1-Antagonisten gehört Anakinra, ein rekombinant hergestellter humaner Interleukin-1-Rezeptorantagonist (13). Es wird in Kombination mit MTX eingesetzt bei Patienten, die nur unzureichend auf MTX allein ansprechen. »Das Medikament hat sich bei der Therapie der systemischen Form der juvenilen Arthritis sehr gut bewährt«, erklärt Häfner. Die Patienten sollten aber 18 Jahre alt sein (15).

Der IL-1-Antagonist Rilonacept ist bislang nur in den USA zur Behandlung der familiären Kälte-Urtikaria und des Muckle-Wells-Syndroms zugelassen. Bei diesem Syndrom handelt es sich um eine autosomal dominant vererbte Erkrankung mit spontan auftretenden juckenden Hautrötungen, progressivem Hörverlust und Amyloidose (Ablagerung von veränderten Proteinen im Zwischenzellraum) der Nieren. In einer offenen Vorphase einer randomisierten kontrollierten Doppelblindstudie war Rilonacept bei JIA-Patienten von fünf bis 20 Jahren sehr gut wirksam (11).

Ein neues Medikament, das erst kürzlich für die rheumatoide Arthritis bei Erwachsenen zugelassen wurde, ist Tocilizumab (13). Der Antikörper richtet sich gegen den IL-6-Rezeptor und neutralisiert die zerstörerische Aktivität des Interleukins. IL-6 ist ein Zytokin mit proinflammatorischen Effekten auf zahlreiche Zellen, zu denen B- und T-Zellen, hämatopoetische Stammzellen, aber auch Hepatozyten und Osteoklasten zählen. Bei der Pathogenese der rheumatischen Entzündung spielt IL-6 offenbar eine wichtige Rolle. Seine Produktion ist sowohl in Blutzellen als auch im synovialen Gewebe erheblich gesteigert.

In einer zunächst offenen, dann randomisierten doppelblinden Multizenterstudie behandelten japanische Forscher Kinder mit therapieresistenter JIA mit Tocilizumab. Der Arzneistoff erwies sich als wirksam. Bisher ist er für Kinder aber nicht zugelassen (19).

An den T-Zellen setzt das Fusionsprotein Abatacept an (13). Diese Zellen spielen eine wichtige Rolle bei der Initiierung und Aufrechterhaltung der pathologischen Immunantwort bei der JIA. Abatacept blockiert sehr früh die Aktivierung von T-Zellen, indem es ein costimulatorisches Signal unterbricht. Für die volle Aktivierung von T-Lymphozyten sind zwei Signale notwendig, die von Antigen-präsentierenden Zellen (APC) ausgehen. Das erste Signal ergibt sich aus der Wechselwirkung eines gebundenen Antigens mit einem T-Zellrezeptor. Das zweite, costimulatorische Signal kann aus der Bindung von CD80- und CD86-Molekülen auf den APC an den CD28-Rezeptor auf T-Zellen resultieren. Anschließend sezernieren die aktivierten T-Zellen das Molekül CTLA-4. Dieses ähnelt in seiner Struktur dem CD28, bindet aber mit höherer Affinität an CD80/86. Auf diese Weise verringert eine aktivierte T-Zelle selbst die weitere Stimulation und eine überschießende Immunantwort.

Abatacept bindet wie CTLA-4 an CD80/86 und moduliert damit das zweite Signal. Verschiedene Studien zeigten, dass es die Spiegel von Entzündungsmarkern und die Anzahl von IL-2-Rezeptoren verringert, sodass die T-Zell-Aktivierung gehemmt wird. Abatacept ist in Kombination mit MTX zur intravenösen Infusion bei Erwachsenen mit rheumatoider Arthritis zugelassen, für Kinder und Jugendliche aber nur in den USA. Da die Behandlung teuer ist, müssen die Ärzte bei der Krankenkasse entsprechende Eingaben machen, wenn sie Abatacept bei Kindern einsetzen wollen.

Unerlässlich im Behandlungskonzept der JIA ist die physikalische Therapie. Sie beugt Muskelverkürzungen und Funktionseinbußen vor. Die Garmischer Rheumaklinik hat ein eigenes vierstufiges Therapiekonzept entwickelt. An erster Stelle steht die Schmerzlinderung. Es folgen Bewegungserweiterung, Zusammenspiel der Muskelgruppen und Rückführung in ein normales Bewegungsmuster. Massage, Elektrotherapie, Thermotherapie, Hydrotherapie und Bewegungsbad sind physikalische Maßnahmen zur Schmerzlinderung und Muskelentspannung. Sie ergänzen die notwendige krankengymnastische Behandlung.

Ein Kind mit chronischer Arthritis soll und darf Sport treiben (18). Die erkrankten Gelenke sollen viel bewegt, aber wenig belastet werden. Eventuell sind Gehhilfen wie Sitzroller, Tretroller mit aufgeschweißtem Sitz oder Laufräder sinnvoll: Dadurch werden erkrankte Gelenke während der Bewegung nicht mit dem vollen Körpergewicht belastet.

Sportliche Aktivitäten sind dem entzündlichen Stadium anzupassen. Schwimmen und Rad fahren sind fast immer möglich; positiv ist, dass sowohl Wasser als auch Fahrradsattel das Körpergewicht tragen und die Gelenke somit in Entlastung bewegt werden. Beim Schwimmen sollten die Betreuer darauf achten, dass das Wasser warm genug ist und das Kind nicht auskühlt. Ideal sind Wassertemperaturen von 26 bis 32 °C. Das Kind soll hinterher gut abgetrocknet und vor Auskühlung geschützt werden.

Andere Sportarten sind je nach Befallsmuster der Arthritis und Krankheitsstadium möglich. Während aktiver Krankheitsphasen mit starken Gelenkschwellungen oder Schmerzen sollten die Aktivitäten eingeschränkt werden. Die Belastung fördert sonst Schon- und Fehlhaltungen und erschwert den Heilungsprozess. Wenn die Entzündungszeichen abklingen und die krankengymnastische Behandlung zu einer guten Gelenkstellung und Funktion geführt hat, kann das Kind wieder schrittweise mit dem Sport beginnen. Die Eltern sollten es allerdings nie dazu drängen und immer darauf achten, dass der Sport einen spielerischen Charakter behält. Leistungssport ist tabu. Tischtennisspielen, leichte rhythmische Gymnastik und im Winter Skilanglauf können recht bald wieder aufgenommen werden.

Bei erkrankten Beingelenken sollten alle Sportarten vermieden werden, die wie Fußball, Leichtathletik oder Tennis Springen, Laufen und akutes Abbremsen verlangen. Auch Sportarten mit erhöhtem Verletzungsrisiko, zum Beispiel alpiner Skilauf, Eislaufen und Inlineskating, können sich ungünstig auswirken, da ein Sturz auf das Gelenk zum Aufflackern der Arthritis führen kann.

Sportlich begabte Kinder können meist großzügiger wieder aktiv werden. Sportarten, die das Kind schon vor der Erkrankung beherrscht hat, kann es früher wieder aufnehmen. Dagegen bedeutet das Erlernen eines neuen Sports meist eine stärkere Belastung mit erhöhtem Verletzungsrisiko.

Für den Schulsport gilt Ähnliches. Bei noch aktivem Entzündungsprozess rät Häfner von der Teilnahme ab. Sobald sich die Arthritis zurückgebildet hat, kann das Kind vorsichtig und stufenweise wieder am Unterricht teilnehmen. Das setzt allerdings voraus, dass der Lehrer Verständnis für die Erkrankung hat und zu Kompromissen bereit ist. Die Kinder können zunächst bei gymnastischen Übungen und Ballspielen, eventuell auch Übungen am Schwebebalken oder Stufenbarren mitmachen, aber ohne Absprünge. Leichtathletik und Übungen an Sprunggeräten sind erst wieder erlaubt, wenn die Erkrankung schon einige Zeit zur Ruhe gekommen ist und keine Gelenkfehlstellungen mehr bestehen.

Die Eltern sollten mit dem Lehrer sprechen und auch fragen, ob er bereit ist, auf eine Benotung zu verzichten. Gemeinsame Aufgabe von Eltern und Lehrern ist es, das Kind zu motivieren und ihm die Freude an Sport und Bewegung zu erhalten.

Die meisten Antirheumatika dämpfen die Immunabwehr. Rheumakranke Kinder sind daher durch Infektionen stärker gefährdet als gesunde. Da heutzutage immer mehr Eltern ihr gesundes Kind nicht impfen lassen, ist ein rheumakrankes Kind stärker gefährdet als früher, wenn es einen Kindergarten oder eine Schule besucht.

Sollten die Eltern ihr rheumakrankes Kind impfen lassen, damit es gegen häufig vorkommende Infektionskrankheiten besser geschützt ist? »Theoretisch ja«, meint Häfner. Praktisch sei dies meist nicht ganz einfach. In einem Schub kann eine Impfung die Autoimmunerkrankung weiter verschlechtern und sollte daher vermieden werden. Bei immunsupprimierten Patienten darf der Arzt keine Lebendimpfungen geben, da die Krankheit, gegen die geschützt werden soll, ausbrechen kann.

Ein weiteres Problem: Der Impferfolg kann durch Immunsuppressiva, Zytostatika, Biologicals und Glucocorticoide beeinträchtigt sein. Daher sollte das Impfergebnis überprüft werden. Eventuell muss mit einer höheren Dosis nachgeimpft werden.

Die Krankheit seelisch bewältigen

»Das Hauptproblem für die Kinder ist, dass sie nicht so können, wie sie wollen«, meint Häfner. Die Einschränkungen durch die Erkrankung sind oft gewaltig: Die Kinder werden vom Sportunterricht befreit und müssen aus dem Sportverein austreten. Sie dürfen nicht mehr Fußball spielen oder am Ballettunterricht teilnehmen. Das grenzt aus und schmerzt die Seele.

Wichtig ist es, die Kinder möglichst früh wieder zu mobilisieren. Denn körperliche Bewegung ist sehr wichtig. Bei Kleinkindern ist die motorische Entwicklung eng mit der psychosozialen und geistigen Reifung gekoppelt. Daher ist es dringend nötig, dass die Behandlung früh einsetzt, damit die Kinder einen möglichst altersgemäßen Alltag erleben können. Falls Sport nicht mehr möglich ist, sollten Eltern und Erzieher versuchen, den Kindern einen Ausgleich in einem anderen Gebiet zu eröffnen, beispielsweise Musizieren oder Malen. Ganz wichtig ist es, dass rheumakranke Kinder gute Freunde haben. Eine psychologische Unterstützung der gesamten Familie, insbesondere der Geschwister, ist notwendig. Denn auch diese leiden unter der Erkrankung. »Oft ist die Mutter eines rheumakranken Kindes wochenlang in der Klinik und die Geschwister werden dann von anderen betreut«, sagt Häfner. Unter Umständen beneiden die gesunden Geschwister sogar das kranke Kind, weil es mehr Fürsorge erhält.

Trotz der Schwere des Krankheitsbilds können Arzt und Apotheker allen Betroffenen Hoffnung geben. Denn die Prognose der JIA ist relativ gut. Insgesamt gelingt es bei etwa 60 Prozent der Kinder und Jugendlichen, die Erkrankung zum Stillstand zu bringen, ohne dass eine Behinderung zurückbleibt. Apotheker sollten die Eltern bei Verdacht daher frühzeitig auf das Krankheitsbild und den Gang zum Arzt, am besten einen Kinderrheumatologen, hinweisen.

<typolist type="1">

Aktories, K., et al., Allgemeine und Spezielle Pharmakologie und Toxikologie. Begr. von Forth, W., Henschler, D., Rummel, W., Urban & Fischer München Jena, 10. Aufl. 2009.

Artacker, G., Aktuelle Therapie des kindlichen Rheumas. J. Mineralstoffwechsel 11, Nr. 3 (2004) 27-30.

Datenbank der Hexal Initiative Kinderarzneimittel, www.zak-kinderarzneimittel.de (Stand 7. Mai 2009).

Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie, Juvenile idiopathische Arthritis (früher: juvenile chronische Arthritis). http://dgrh.de/2009.

Deutsches Zentrum für Kinder- und Jugendrheumatologie, Kinderrheuma ­ wir können was tun. Ein Ratgeber für Eltern und Patienten bei juveniler idiopathischer Arthritis. www.rheuma-kinderklinik.de/uploads/media/kinder-rheuma-ratgeber. 2009.

Horneff, G., et al. Behandlung von Kindern mit juveniler rheumatoider Arthritis (JRA) mit Adalimumab ­ Studienergebnisse nach 48 Wochen. Z. Rheumatol. 65 (2006) 6.

Horneff, G., Evidenz-basierte Therapie der juvenilen idiopathischen Arthritis. Med. Monatsschr. Pharm. 9 (2008) 326-336.

Hubert, M., Juvenile idiopathische Arthritis wird oft nicht gleich erkannt. Forschung und Praxis 478/08 (2008) 5.

Lovell, D. J, et al., Long-term safety and efficacy of etanercept in children with polyarticular-course juvenile rheumatoid arthritis. Arthritis Rheum. 54, Nr. 6 (2006) 1987-1994.

Lovell, D. J., et al., Etanercept in children with polyarticular juvenile rheumatoid arthritis. N. Engl. J. Med. 342 (2000) 964-973.

Lovell, D. J., et al., Preliminary Evidence for Sustained Bioactivity of IL-1 Trap (Rilonacept), a Long Acting IL-1 Inhibitor, in Systemic Juvenile Idiopathic Arthritis (SJIA). ACR/ARHP Scientific Meeting, Boston 2007, Abstract Nr. 1282.

Mutschler, E., et al., Arzneimittelwirkungen kompakt. Basiswissen Pharmakologie und Toxikologie. Wiss. Verlagsges. Stuttgart 2005.

Pharmazeutische Zeitung. Neu auf dem Markt. www.pharmazeutische-zeitung.de, 2009.

Raspe, H., Zink, A., Rheumatologische Versorgung von akut und chronisch Rheumakranken in Deutschland. Ein Memorandum der DGRh. www.rheuma-liga.de/uploads/0/aktivitaeten/veranstaltungen/vortrag_raspe.ppt, 2009.

Ruperto, N., A randomized trial of Methotrexate in medium versus higher doses in children with Juvenile idiopathic arthritis who failed on standard dose. EULAR Meeting, Stockholm 2002, Abstract Nr. 1384.

Ruperto, D., et al., 48 week data from the study of adalimumab in children with juvenile rheumatoid arthritis. Ann. Eur. Congress of Rheumatology, Amsterdam 2006. Ann. Rheum. Dis. 65, Suppl. II (2006) 56.

Takken, T., et al., Physical activity and health related physical fitness in children with juvenile idiopathic arthritis. Ann. Rheumatic Dis. 62 (2003) 885-889.

Yokota, S., et al., Efficacy and safety of tocilizumab in patients with systemic-onset juvenile idiopathic arthritis: a randomised, double-blind, placebo-controlled, withdrawal phase III trial. Lancet 371 (2008) 998-1006.

Claudia Borchard-Tuch studierte Medizin an der Universität Düsseldorf, erhielt 1982 die Approbation und schloss ein Jahr später ihre Promotion ab. Nach einer Tätigkeit als Assistenzärztin studierte sie Informatik an der Fernuniversität Hagen und schloss mit dem Diplom ab. Seit 1983 ist Dr. Borchard-Tuch freiberuflich tätig als Fachjournalistin und bearbeitet naturwissenschaftliche und medizinische Themen für Fachzeitschriften und große Zeitungen. Zudem verfasst sie wissenschaftliche Publikationen für die Pharmaindustrie und ist Autorin mehrerer Bücher.

claudia.borchard-tuch(at)a-city.de

Außerdem in dieser Ausgabe...